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Pulsformung zur schädigungsarmen Laserbearbeitung von Silizium

. Universität Stuttgart, München, doctoralThesis, (2018)

Abstract

Die Bearbeitung von Silizium mit Hilfe von Laserstrahlung gewinnt in der Halbleiter- und Photovoltaikindustrie zunehmend an Bedeutung. Laserbasierte Dotier-, Strukturierungs- und Abtragsprozesse treten in Konkurrenz zu den etablierten Fertigungsverfahren. Bei der Laserbearbeitung von Silizium werden jedoch häufig die mechanischen und elektronischen Eigenschaften des Halbleiters ungewollt verändert, wodurch die Funktion des Bauteils beeinträchtigt wird. Um laserbasierte Prozessschritte für diese Industrien zu qualifizieren, werden daher im ersten Teil der vorliegenden Arbeit die Wirkzusammenhänge bei der Laserbearbeitung von Silizium ermittelt und analysiert. Im zweiten Teil werden diese Erkenntnisse genutzt, um mit einer geeigneten zeitlichen Pulsformung eine schädigungsarme Laserbearbeitung durchzuführen. Typischerweise sind diese laserinduzierten Schädigungen Gitter-Leerstellen, sogenannte Vacancies, über welche Ladungsträger rekombinieren. Je höher die Vacancy-Dichte im Halbleiter, desto höher ist die Rekombinationsrate und desto geringer fällt die Ladungsträgerlebensdauer aus. Zur Herstellung von Solarzellen mit hohem Wirkungsgrad wird eine hohe Ladungsträgerlebensdauer benötigt. Vacancies entstehen beimWiedererstarren des lasergeschmolzenen Siliziums in Abhängigkeit der Geschwindigkeit der Erstarrungsfront. Je höher die Geschwindigkeit der Erstarrungsfront, desto mehr Vacancies entstehen. Zur Erarbeitung dieser Wirkzusammenhänge wurden theoretische Betrachtungen sowie experimentelle Untersuchungen zum laserinduzierten Schmelz-, Diffusions- und Erstarrungsvorgang von Silizium durchgeführt. In allen im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Untersuchungen wurde gepulste Laserstrahlung mit Pulsdauern im Bereich zwischen zwei und sechshundert Nanosekunden oder weniger Pikosekunden verwendet. Als Dotierstoffquelle dienten wenige Nanometer dicke und mit Bor angereicherte SiO2-Schichten. Auf Basis der in dieser Arbeit vorgestellten Ergebnisse werden allgemeingültige Zusammenhänge zwischen Schichtaufbauten und Laserparametern für die Dotierung aus SiO2:B-Precursorn abgeleitet. Diese sind in Kapitel 4 zusammengefasst. Der laserinduzierte Schmelz- und Erstarrungsvorgang wurde im Experiment zeitaufgelöst untersucht. Hierfür wurde die temperaturabhängige Änderung der Reflektivität des Halbleiters genutzt. BeimWechsel des Aggregatzustands von fest nach flüssig steigt diese sprunghaft an. So konnte mit Hilfe der zeitaufgelösten Reflexionsmessung die Zeitspanne, in welcher das Silizium aufgrund der Laserbestrahlung im flüssigen Zustand vorlag, bestimmt werden. Darüber hinaus wurde die Änderung der Oberflächentemperatur in der Bearbeitungszone während der Laserbestrahlung aus dem Reflexionssignal abgeleitet. Zum ersten Mal wurde die gesamte Aufheiz-, Schmelz-, Erstarrungs- und Abkühlphase der Siliziumoberfläche während der Laserbestrahlung bei Pulsdauern zwischen 10 ns und 500 ns experimentell erfasst. Bei einer Oberflächentemperatur über dem Schmelzpunkt bestimmt deren Verlauf die Position und Bewegung der Phasengrenze zwischen dem festen und flüssigen Gebiet. Daraus ergeben sich die Schmelzdauer sowie die Phasenfrontgeschwindigkeiten. Für eine Vacancy-arme Laserbearbeitung von Silizium muss die Geschwindigkeit der Erstarrungsfront so gering wie möglich sein. Daher liegt der Kern dieser Arbeit in der Erarbeitung einer Methode zur Kontrolle der Bewegung der Phasengrenze durch geeignete Einbringung der Wärme durch den Laserstrahl. Hierfür wurde erstmals die „Pulsformung“ im Nanosekunden-Pulsdauerbereich genutzt. Beispielsweise kann durch das „Anhängen“ eines sogenannten „Nachpulses“ mit geeignetem zeitlichen Intensitätsverlauf an einen „Rechteckpuls“ mit konstantem Intensitätsverlauf ein langsames Erstarren der Schmelze erreicht werden. Über den Nachpuls wird dem Laser-Material-Interaktionsgebiet eine etwas geringere Energiemenge zugeführt als die, die beim Erstarren nach der Laserbestrahlung mit dem einzelnen Rechteckpuls an die Umgebung abfließen würde. Die durchgeführten Prozesssimulationen zeigen, dass hierfür der Intensitätsverlauf des Nachpulses zu jedem Zeitpunkt proportional zumWert der Geschwindigkeit der Erstarrungsfront, wie sie bei der Bestrahlung mit dem Rechteckpuls auftreten würde, sein muss. Mit Hilfe weiterer Simulationen wurden verschiedene Pulsformen zur Reduktion der Geschwindigkeit der Erstarrungsfront sowie zur Vergrößerung des Prozessfensters und zur Erhöhung der Prozessstabilität abgeleitet. Die Geschwindigkeit der Erstarrungsfront kann so bei Verwendung geformter Laserpulse im Vergleich zur Laserbestrahlung mit Rechteckpulsen um eine Größenordnung reduziert werden. Eine weitere Reduktion ist in der Praxis aktuell aufgrund der Einschränkungen bei der Laserleistungssteuerung weder möglich noch notwendig. Die so ausgelegten Laserpulse führen im Experiment zu einer Reduktion der Defektdichte um bis zu zwei Größenordnungen und zu Ladungsträgerlebensdauern vergleichbar mit einer unbearbeiteten Siliziumprobe. Die vorgeschlagene Prozessführung erlaubt somit eine schädigungsarme Laserbearbeitung von kristallinem Silizium. Die Arbeit wird durch den experimentellen Nachweis abgeschlossen, dass auch das Auftreten von amorphem Silizium bei der Bearbeitung mit ultrakurzen Laserpulsen von der Geschwindigkeit der Erstarrungsfront abhängt. Bei diesem Prozess treten ringförmige Bereiche aus amorphem Silizium auf, was ebenfalls durch die erarbeitete Modellvorstellung erklärt wird.

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