PhD thesis,

Fenster und Fassaden aus GFK und Glas

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Universtät Stuttgart, ITKE, Stuttgart. Germany, (2007)

Abstract

„Die Geschichte der Architektur ist die Geschichte des Fensters", so Le Corbusier Anfang des vergangenen Jahrhunderts. Anordnung und Ausführung der.,Augen" in der Gebäudehülle, wie Le Corbusier metaphorisch umschrieb, bestimmen das Erscheinungsbild eines Gebäudes mehr als jedes andere Bauelement. Maßgeblichen Einfluss auf die optische Gesamtwirkung haben dabei weniger die transparenten, verglasten Bereiche der Fenster als vielmehr die Rahmenkonstruktionen, deren Profilgeometrien und flächenmäßiger Anteil. Letzterer beträgt bei marktüblichen Fenstersystemen knapp ein Drittel der Fensterfläche; in geometrisch besonders ungünstigen Fällen, beispielsweise bei sehr kleinen Öffnungen, bis zu 70%. Resultat ist in aller Regel ein unbefriedigendes gestalterisches Erscheinungsbild, begleitet zudem von Einschränkungen hinsichtlich der Grundfunktionen eines Fensters, nämlich der Versorgung des Innenraums mit Licht und Luft. Als Hauptursache für den relativ hohen Flächenanteil des Rahmenbereichs sind stetige Verschärfungen der wärmeschutztechnischen Anforderungen an die Gebäudehülle während der letzten 30 Jahre anzuführen. Um diese Anforderungen zu erfüllen, wurden folgerichtig sukzessive wärmetechnische Verbesserungen an Verglasung und Rahmen vorgenommen. Zugunsten energetischer Effizienz gerieten optische Aspekte allerdings zunehmend in den Hintergrund. Eine rückwirkende, gestalterische Korrektur dieser Entwicklung ist jetzt - unter Verwendung herkömmlicher Rahmenmaterialien und üblicher Konstruktionsweisen - nicht mehr möglich, weil dann die geltenden wärmetechnischen Grenzwerte nicht einzuhalten wären. Mithilfe der Verwendung glasfaserverstärkten Kunststoffs (GFK) als Rahmenmaterial und dank dessen spezifischer Eigenschaften lässt sich die umgekehrte Proportionalität zwischen Filigranität und wärmetechnischer Wirksamkeit durchbrechen, denn GFK vereint - im Gegensatz zu herkömmlichen Rahmenmaterialien – geringe Wärmeleitfähigkeit und hohe Festigkeit. Ausgesprochen vorteilhaft ist ferner, dass die Temperaturdehnzahlen vor Glas und GFK annähernd identisch sind; dies ermöglicht zwängungsfreie, kraftschlüssige Verklebungen von Verglasung und Rahmen. Die Verglasung trägt dann den Rahmen und nicht umgekehrt, wie es bei herkömmlichen, verklotzten Systemen der Fall ist. Weil der Rahmen dann kaum noch statische Aufgaben zu erfüllen hat. können die Profilquerschnitte deutlich reduziert werden. Zugleich sind dank der geringen Wärmeleitfähigkeit von GFK trotz der reduzierten Profile Rahmenprofile durchaus gute wärmetechnische Werte erreichbar. In Konsequenz erweitert sich der gestalterische Handlungsspielraum in Relation herkömmlichen Rahmenkonstruktionen aus Aluminium, Holz oder PVC um ein Vielfaches. Die Entwicklung von Fenstersystemen mit verklebtem GFK-Rahmen steht momentan noch am Anfang; derzeit sind auf dem Markt keine solchen Fenster- oder Fassadenkonstruktionen erhältlich. Demzufolge fehlt eine konkrete Ausgangslage, weswegen im ersten Teil der Arbeit zunächst erste Konstruktions- und Gestaltungskonzepte für GFK-Glas-Fenster zu entworfen und entwickelt werden. Oberste Priorität besitzt hierbei eine maximale Reduzierung der Rahmenkonstruktion bei gleichzeitiger Erfüllung der bestehenden wärmeschutztechnischen Anforderungen. Als gestalterisches Vorbild für die GFK-Konzepte dienen Konstruktionen aus Zeiten in denen Wärmeschutz bei Fenstern noch eine untergeordnete Rolle spielte und gestalterische Aspekte im Vordergrund standen. Dies sind - aufgrund ihrer Filigranität und,einfachen" Konstruktionsweise – insbesondere Stahlfenster aus dem frühen 20. Jh.. Ob und inwiefern durch entsprechende Konstruktionen aus GFK die aktuellen wärmetechnischen Anforderungen erfüllt werden und wo unter Umständen Optimierungen an den entwickelten Konzepten notwendig sind, wird durch umfassende Untersuchungen in Simulation und Experiment geklärt. Diese Diagnostik bildet zugleich den zweiten und Kernteil der Arbeit. in der Forschungsarbeit werden folgende drei Konstruktionskonzepte aus GFK und Glas unter Berücksichtigung gestalterischer Aspekte, funktionaler Anforderungen an Fenster und des baurechtlichen Umfelds entwickelt und untersucht: Konzept A zur Verglasung festverglaster Bereiche mit GFK-Glas-Elementen (Rahmenanteil 5%), Konzept B als Einfachfenster mit GFK-Rahmen (Rahmenanteil etwa 12%) und Konzept C als hochwärmedämmendes Fenstersystem (Uw-Werte unter 0,8 W /m2K, Rahmenanteil des Fensters <20%) Bei der wärmetechnischen Diagnostik spielen zum einen der Energieverlust durch das Fensterelement eine zentrale Rolle. Mindestens ebenso wichtig sind die auftretenden raumseitigen Oberflächentemperaturen an der Konstruktion, denn erst nach deren detaillierter Betrachtung werden eventuelle lokale Schwachpunkte der Konstruktionen erkenn- und verbesserbar. Die entworfenen GFK-Konzepte, das zeigen die Simulationen, erfüllen grundsätzlich die zu Beginn der Arbeit definierten wärmetechnischen Anforderungen - trotz ihrer minimierten Rahmenkonstruktionen. Umfassende experimentelle Untersuchungen an Prototypen bestätigen die ermittelten Werte, zeigen im Detail aber gleichwohl Optimierungsbedarf. Dementsprechend werden die Konstruktionskonzepte überarbeitet, verbessert und im Zuge der Modifikationen werden ferner Varianten entwickelt, die eine Integration normgerechter Beschlagsysteme zulassen. Im Ergebnis kann festgehalten werden. dass die optimierten "End-Konstruktionen" im Vergleich mit derzeit marktüblichen Systemen aus Kunststoffen, Metallen oder Holz - deutlich geringere Rahmenanteile aufweisen (Faktor 0.5 und besser) und - dennoch wärmetechnisch im Bezug auf U-Wert und Oberflächentemperaturen mindestens gleiches Niveau erreichen. Anwendungsbeispiele im Schlussteil der Arbeit verdeutlichen die objektiv vorhandenen gestalterischen Vorzüge der GFK-Glas-Konstruktionen bildhaft und unterstreichen das Potenzial dieser Konstruktionsweise. Die illustrierten Einbauvarianten veranschaulichen das erweiterte gestalterische und damit entwurfliche Spektrum, das sich im Vergleich mit herkömmlichen Systemen ergibt. Eine uneingeschränkte Anwendbarkeit der Konzepte ist derzeit jedoch aus mehreren Gründen noch nicht gegeben: Grundsätzlich besteht das Problem fehlender Langzeiterfahrungen hinsichtlich der verwendeten Klebeverbindungen an gebauten Objekten. Forschungsergebnisse am ITKE lassen bisher allerdings keinerlei Anzeichen für ein mögliches Versagen der Klebeverbindungen unter üblichen Umgebungsverhältnissen im Bereich der Gebäudehülle erkennen. Des weiteren besteht hinsichtlich der Konstruktionen, insbesondere im Hinblick auf eine eventuelle serienproduktion.Klärungsbedarf hinsichtlich des Klebeprozesses, sowohl in Bezug auf Qualitätssicherung als auch und insbesondere in Sachen Wirtschaftlichkeit. Es müsste eingehend geprüft werden, ob und ab welchen Stückzahlen GFK-Fensterkonstruktionen wirtschaftlich herstellbar sind. Sicher scheint derzeit nur, dass die Investitionskosten für ein marktübliches Fenster "von der Stange" deutlich unter jenen für eine geklebte GFK-Konstruktion bleiben werden. Verschiedenste Produkte, sowohl aus dem Bausektor aber auch aus anderen Bereichen des Lebens, beweisen allerdings. Dass der Endkunde durchaus bereit ist höhere Investitionskosten in Kauf zu nehmen, wenn für ihn ein konkreter Gegenwert erkennbar ist. Als "erkennbar" dürfte der Gegenwert bei den GFK-Konstruktionen aufgrund des gegenüber marktüblichen Systemen deutlich minimierten Rahmenanteils bezeichnet werden; dies unterstreichen die visuellen Gegenüberstellungen im Schlussteil der Arbeit. Aus wärmeschutztechnischer sowie gestalterischer Hinsicht sind die entwickelten Konzepte durchaus als markttauglich zu bezeichnen, womit die konzeptionelle Zielsetzung der Arbeit als erreicht zu betrachten ist. In einem nächsten Schritt wären weitergehende Teilaspekte zu klären. Dies betrifft insbesondere Gesichtspunkte. die im Verlauf dieser Arbeit aufgrund der bewussten Fokussierung auf wärmetechnische Zusammenhänge nicht oder nur teilweise berücksichtigt wurden, wie etwa Untersuchungen in Bezug auf Schallschutz, Luftdichtheit, Widerstandsfähigkeit gegen Windlast und Schlagregendichtheit. Hierzu sind experimentelle Test an weiteren Prototypen notwendig. Bereits im Januar Anfang 2007 wurde auf der BAU in München ein Holz-GFK-Fenster vorgestellt, das am ITKE in Zusammenarbeit mit einem externen Auftraggeber entwickelt wurde. Dieses Fenster enthält einzelne konstruktive Bestandteile der entwickelten GFK-Glas-Konzepte. Wenngleich der Rahmen noch überwiegend aus Holz besteht. Dennoch steht damit das Konzept GFK-Glas kurz davor. mit marktüblichen Fenstersystemen in Konkurrenz zu treten. Aufbauend auf den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit können nun die verbliebenen Holzteile dieses Fensters restlos durch GFK ersetzt werden. Damit wäre bereits in naher Zukunft ein "einfaches", vollständig verklebtes GFK-Glas-Fenster marktreif- in Anlehnung an das entwickelte Konzept B. In Verbindung mit stetigen Entwicklungen in der Klebetechnik und entsprechenden Prüfungen an Prototypen können dann im Optimalfall mittelfristig auch die anderen Konstruktionskonzepte, die sich aus heutiger Sicht teilweise noch als problematisch darstellen, in die Realität umgesetzt werden.

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