@thomasherzig

Versagen der Befettung bei Radialwellendichtungen im PKW-Lenkungsventil: Dissertation

. Institutsbericht (2013)498.

Abstract

In der vorliegenden Arbeit wurden der aktuelle Stand der Technik, experimentelle und theoretische Untersuchungen zum Versagen der RWDR Befettung, sowie den daraus resultierenden Dichtungsgeräuschen am Beispiel der Pkw-Lenkung zusammengefasst. Es wurde versucht, anhand der Ergebnisse wirksame Abhilfe- und Verbesserungsmaßnahmen zu finden. Als Entstehungsursache der Dichtungsgeräusche in der Pkw-Lenkung wurden die RWDR im Lenkungsventil identifiziert. Als Stand der Technik werden heute RWDR mit Doppeldichtkante und Befettung eingesetzt, die als Referenzsystem für die durchgeführten Versuche gelten. Die zuvor eingesetzten RWDR mit Einfachdichtkante waren nicht für die Betriebsbedingungen der vollhydraulischen (HPS) bzw. elektrohydraulischen (EHPS) Lenksysteme geeignet. Der Vorteil des Dichtungsdesigns Doppeldichtkante liegt in einem etwa 8,4 mm³ großen Schmierfettreservoir zwischen den beiden Dichtkanten. Die RWDR sind im Betrieb durch den Rücklaufdruck beaufschlagt. Laut Angabe eines Lenkungsherstellers /33/ treten als Betriebsbedingungen Rücklaufdrücke von 2 bis 5 bar, mit einzelnen Druckimpulsen von bis zu 30 bar, und Hydrauliköltemperaturen von -40°C bi s etwa 140°C auf. Der Wertebereich der Betriebszustände wurde durch Versuche an einem Originallenkungsprüfstand (OLPS) auf einen Systemdruck von 2 bis 4 bar und Hydrauliköltemperaturen zwischen RT und 80°C eingeschränk t. Die Dichtungsgeräusche traten im Feld im warmen Betriebszustand nach circa 10.000 Fahrkilometern und einer Einbauzeit von 8 bis 15 Monaten auf /33/. In /33/ wird der Anzahl der quietschenden Pkw-Lenkungen je nach Fahrzeughersteller auf etwa 0,2 bis 5 % geschätzt. Eine Einflussgrößenanalyse zeigte, dass das Vorhandensein der Befettung bei den untersuchten Parametern den größten Einfluss auf das mittlere Reibmoment und den Haftpeak zu Beginn der Bewegung hat. Nur durch das Hydrauliköl alleine kann keine ausreichende Schmierwirkung erreicht werden. Die Beurteilung der Benetzungseigenschaften anhand von Kontaktwinkelmessungen zeigte einen deutlichen Qualitätsunterschied zwischen den untersuchten Hydraulikölen. Im Vergleich zeigte ein RWDR mit Einfachdichtkante bei reiner Hydraulikölschmierung ein um 330 % höheres Reibmoment als ein RWDR mit Befettung. Bei dem RWDR mit Doppeldichtkante waren es sogar 400 %. Die Einflussgrößen Hydraulikölsorte, Dichtungswerkstoff, Systemdruck oder Schmierfettsorte haben mit etwa 20 %, 25 %, 70 % bis 100 % und 50 % im untersuchten Wertebereich einen geringeren Einfluss auf das Reibmoment. Als eine weitere wichtige Einflussgröße wurde der Wartezeiteinfluss erkannt. Der Wartezeiteinfluss beschreibt die Höhe des Haftpeaks zu Beginn der Bewegung in Abhängigkeit von der Wartezeit bei anstehendem Systemdruck. Für den Anregungsmechanismus wurden zwei einfache Modelle, das Saugnapf- und Drehorgelmodell, formuliert. Diese beruhen auf den Vermutungen, dass es durch den fehlenden Schmierstoff zu einer erhöhten Adhäsion oder einem mechanischen Verhaken der Oberflächenrauheiten von RWDR und Wellenoberfläche kommt. Als Ursachen für die Mangelschmierung wurden Versagensmechanismen der Befettung, wie eine Alterung der Schmierfette oder eine Unverträglichkeit zwischen Schmierfett und Hydrauliköl, untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass es durch ein künstlich gealtertes Schmierfett zu einem 130 %igen Anstieg im Reibmoment und 25 %igen Anstieg im Wartzeiteinfluss kommt. Auch konnte eine Unverträglichkeit zwischen dem Hydrauliköl Ö2 und dem Referenzfett gezeigt werden. Nach dem Nachweis einer fallenden Reibkennlinie und einer Nichtlinearität in der Differentialgleichung anhand von Reibmomentmessungen, konnte mit einem vereinfachten Torsionsschwinger als MATLAB-Simulink-Modell nachgewiesen werden, dass es sich bei dem RWDR-Wellen-Kontakt um ein schwingungsfähiges System handelt und selbsterregte Reibungsschwingen (Stick-Slip-Effekt) möglich sind. Die Abhilfe- und Verbesserungsmaßnahmen zielten auf einen zuverlässigen Ersatz der Befettung und auf eine verbesserte Schmierwirkung des Hydrauliköls. Untersucht wurden Beschichtungen für RWDR (Gleitlacke GL1, GL2 und GL3; RFN®-Beschichtung) und für die Wellenoberfläche (RFN®), ein modifizierter PTFE-Dichtungswerkstoff, ein neues Dichtungsdesign „Ölrinne“, zwei stochastische Oberflächenstrukturierungen der Welle, sowie die beiden Ölzusätze LecWec und Lubrizol. Zwar erreichte keine der getesteten Abhilfe- und Verbesserungsmaßnahme alle Eignungsvorgaben, jedoch ist bei dem neuen Dichtungsdesign „Ölrinne“ und dem Ölzusatz Lubrizol eindeutig das Potential für eine erfolgreiche Weiterentwicklung vorhanden.

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