Abstract

Oberstaatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner ging 2007 zur Deutschen Bahn, um bei dem Staatskonzern die Korruption zu bekämpfen. Ein Jahr später fand er sich mitten in einem ständig ausufernden Spitzel-Skandal wieder. Jetzt hat sich Schaupensteiner selbständig gemacht. FRANKFURT. Gut sieht er aus. Entspannt, sonnengebräunt von den vielen Stunden, die er in letzter Zeit auf seinem Mountainbike durch den Taunus radelte. Aber auch tatendurstig. Als Wolfgang Schaupensteiner pünktlich auf die Minute im Cosmopolitan am Frankfurter Hauptbahnhof erscheint, wirkt er nicht wie einer, der nur noch seine Abfindung aufzehren will. Der Oberstaatsanwalt ist wieder auf Jagd. Aber diesmal auf eigene Rechnung. Die Entscheidung wird für Aufsehen sorgen. Wolfgang Schaupensteiner ist nicht irgendein Ex-Beamter in diesem Land. Vor gar nicht allzu langer Zeit war der Frankfurter Oberstaatsanwalt der bekannteste Korruptionsjäger der Republik, eine Ikone in der Verbrechensbekämpfung der Deutschen Wirtschaft. 2007 ging er zur Deutschen Bahn, um beim notorisch korruptionsanfälligen Staatskonzern die Compliance Abteilung international auszubauen. Das habe auch hervorragend geklappt, sagt Schaupensteiner. Bis 2008 jedenfalls. Bis er plötzlich mitten in einen Spitzel-Skandal geriet, der die Manager der Deutschen Bahn, angefangen bei Hartmut Mehdorn, reihenweise entgleisen ließ. Einen Skandal, in dessen Strudel schließlich auch Schaupensteiner unterging. "Die Trennung von mir war eine politische Entscheidung der neuen Führung, die ich nachvollziehen kann", sagt Schaupensteiner rückblickend. Rüdiger Grube, der neue Vorstandsvorsitzende der Bahn, wollte einen Neuanfang, einen kompletten Schnitt. Es wäre wohl das falsche Signal gewesen, hätte er mit Schaupensteiner weitergemacht, ausgerechnet mit dem Gesicht, das in den Monaten zuvor für die Salamitaktik des Konzerns stand: In Sachen Spitzelei immer nur das zuzugeben, was ohnehin schon in der Presse steht. "Wir haben nichts unter den Teppich gekehrt", sagt Schaupensteiner. Äber es kam eben immer Neues heraus. Das war so wie die Geschichte von Hase und Igel." Die Bahn, so musste Schaupensteiner feststellen, hatte ihre Mitarbeiter massenhaft durchleuchten lassen. In ihrem Bemühen, Korruption zu bekämpfen, geriet sie selbst auf Abwege. Zwielichtige Detekteien spähten für die Bahn Konten von Dritten aus, besorgten sogar Informationen aus Steuerakten. Schaupensteiner will im nachhinein keine schmutzige Wäsche waschen. Doch angenehm für ihn waren sie nicht, die Monate, in denen kaum ein Tag ohne einen Artikel über die Spitzeleien verging. Er habe keinen Zweifel, dass seine Mitarbeiter ihm gegenüber ehrlich und offen waren, sagt Schaupensteiner. Doch oft saßen die Wissensträger ganz woanders in dem riesigen Konzern, viele waren gar nicht mehr da. Natürlich hätte er sich mal einen Anruf von jemandem gewünscht, der wusste, was noch alles hochkommen konnte. Doch Schaupensteiner ist Realist genug, um so einen Wunsch richtig einzuschätzen: als unrealistisch. Das berufliche Ende bei der Bahn stellte Schaupensteiner eine Frage: Wieder zurück in den Staatsdienst? Die Antwort: nein. "Wenn einer einmal in der Privatwirtschaft war, geht er nicht zurück", sagt Schaupensteiner. "Das ist ein ganz anderes Leben, da haben Sie ganz andere Gestaltungsmöglichkeiten." Und die will er nun voll auskosten. Schaupensteiner hat nach seinem Abgang bei der Bahn keine Bewerbungen geschrieben. Er hat sich selbständig gemacht. Zum ersten Mal in seinem Leben ist er nun sein eigener Chef. Seine Firma: Schaupensteiner Corporate Risk & Compliance Consulting. Viel werben muss er nicht. 30 Jahre als Staatsanwalt haben ein dicht gewobenes Kontaktnetz hinterlassen. Kaum eine nennenswerte Kanzlei, die ihn nicht kennt, kaum ein Korruptionsbeauftragter, dem der Korruptionsjäger Schaupensteiner kein Begriff ist. Corporate Governance und Compliance werden in der deutschen Wirtschaft immer wichtiger. Die Skandale der letzten Jahre haben ihre Spuren hinterlassen, die Vorschriften werden zunehmend schärfer. Unternehmen dürfen nicht warten, bis etwas passiert. Sie müssen sich so aufstellen, dass man ihnen später keinen Strick daraus drehen kann, wenn doch etwas passiert. Schaupensteiner weiß, wonach jeder Staatsanwalt fragen würde. Er weiß, welche Strukturen funktionieren und welche nicht. Dieses Wissen macht ihn nun zum gefragten Mann. Die ersten Aufträge, quer durch diverse Branchen, sind in Arbeit. Das Leben als Berater gefällt Schaupensteiner. "Man ist nicht mehr Getriebener, nicht mehr so fremdgesteuert", sagt er. In seiner Zeit als Staatsanwalt war gegen die Flut der Fälle kein Ankommen. Heute arbeitet Schaupensteiner immer noch viel - doch er kann sich seinen Themen und die Intensität seines Tuns selbst wählen. "Ich bin froh, dass ich diesen Schritt gemacht habe", sagt Schaupensteiner. Und er sei ja erst 61. Da könne er noch eine Menge leisten.

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